Aktuelles | ||
Die Vereinheitlichung der Rechte in Europa schreitet voran. Für Erbfälle seit dem 17.08.2015 gilt als unmittelbares deutsches Recht die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) und das Internationale Erbrechtsverfahrensgesetz (IntErbRVG). Für alle Deutsche, die ausschließlich in Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und nicht beabsichtigen, dies in der Zukunft zu ändern und die auch kein Vermögen im Ausland besitzen, wird sich im Ergebnis nichts ändern. Auch in steuerlichen Dingen ändert sich nichts, da jeder Staat Erbschaften nach eigenem Recht besteuert.
Was bedeutet das alles? Verlegt ein Deutscher seinen gewöhnlichen Aufenthalt (es besteht rechtlich nur die Möglichkeit eines einzigen gewöhnlichen Aufenthalts) im Alter in den sonnigen Süden nach Mallorca oder an die Cote 'Azur, so vererbt er sein Vermögen zukünftig nach spanischem bzw. französischem Recht, auch wenn sein überwiegendes Vermögen noch in Deutschland liegt. Die Rechtsfolgen, zum Beispiel im Pflichtteilsrecht, können gravierend sein. Es stellt sich die Frage, wie definiert sich der gewöhnliche Aufenthalt? Nicht automatisch mit dem Wohnsitz! Es muss sich tatsächlich um den Lebensmittelpunkt (Verwandte, Freunde, Verein usw.) handeln. Ein Student oder ein Montagearbeiter, der für ein halbes oder ganzes Jahr ins Ausland muss, hat dort unter Umständen für diese Zeit seinen Wohnsitz, nicht aber seinen Lebens-mittelpunkt, da er ja zu seiner Familie, seinen Freunden und Bekannten etc. zurückkehren wird. Die Rechtsprechung wird hier einige Dinge erst noch klären müssen. Wo haben Berufspendler, Wanderarbeiter, Grenzpendler, pflegebedürftige Personen, die wegen der geringen Pflegekosten in günstige ausländische Pflegeheime verbracht werden, ihren gewöhnlichen Aufenthalt? Diese Fragen haben nicht nur Bedeutung für das anzuwendende Erbrecht, denn für die Nachlassabwicklung ist zukünftig auch das Nachlassgericht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts zuständig. Da könnten so manche Schwierigkeiten auftreten. Abhilfe kann hier nur eine Rechtswahl bringen. Jede Person kann in der Form einer letztwilligen Verfügung bestimmen, dass das Recht des Mitgliedsstaats seiner Staatsangehörigkeit zur Anwendung kommen soll. Ist so eine Rechtswahl getroffen worden, können die betroffenen Parteien (Erben) vereinbaren, dass auch die zuständigen Gerichte des gewählten Mitgliedstaates zuständig sind. Was geschieht, wenn eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einen Drittstaat, zum Beispiel in die Schweiz, die USA oder nach Hongkong verlegt? Auch für diesen Fall gilt, dass das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts maßgeblich ist, auch wenn der Drittstaat kein Mitgliedstaat der EU ist, vgl. Art 20 der Verordnung. (Nur bei der Zuständigkeit des Gerichts ergeben sich Erleichterungen: Sofern die Person mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Drittstaat Vermögen in einem Mitgliedstaat besitzt, sind die Gerichte dieses Mitgliedstaats in dem sich Vermögen befindet für die Abwicklung des gesamten Nachlasses zuständig, wenn der Erblasser Mitglied dieses Staates war oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort hatte und dieser Aufenthalt nicht länger als 5 Jahre zurückliegt.) In solchen Fällen wird nur eine Rechtswahl nach dem Recht der Staatsangehörigkeit weiter helfen. Ein Beispiel für eine Formulierung eines Deutschen(die notwendige Form für eine letztwillige Verfügung ist einzuhalten): "Ich habe meinen gewöhnlichen Aufenthalt in Italien. Mein überwiegendes Vermögen befindet sich in Deutschland. In Italien besitze ich eine kleine Immobilie. Ich wähle das Recht der Bundesrepublik Deutschland für die Rechtsnachfolge meines Todes." Neu ist auch das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ). Der deutsche Erbschein ist dabei nicht abgeschafft. Das neue Zeugnis soll aber helfen, sofern notwendig, grenzüberschreitend die Nachlassauseinandersetzungen (Umschreibung von Grundeigentum, Bankkonten usw.) auf einfachere Weise herbeizuführen. Zuständig für die Ausstellung ist wiederum das Gericht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsorts. Fazit: Liegen grenzüberschreitende Sachverhalte vor, müssen sich die betroffenen Personen noch mehr Gedanken machen, wie sie ihre Angelegenheiten im Fall ihres Todes geregelt haben wollen. Ehegatte, Kinder und andere gesetzlichen Erben könnten sonst unangenehme Überraschungen erleben. Umgekehrt bieten sich mit der Wahl eines gewöhnlichen Aufenthalts bisher nicht vorhandene Gestaltungsmöglichkeiten (zum Beispiel die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem Land, das kein Pflichtteilsrecht kennt). |